Die Königin der Instrumente

So wird die Orgel häufig genannt. Warum eigentlich? Sie ist für populäre Musik eher ungeeignet, man kann sie nirgendwohin mitnehmen, sie ist kompliziert zu spielen und zu pflegen, noch dazu ist sie unglaublich teuer. Trotzdem hat jede Kirche eine Orgel, und Kirchenmusik verknüpft man grundsätzlich mit diesem Instrument. Ein Blick in die Musikgeschichte hilft uns zu verstehen, wie die Orgel zu ihrem königlichen Ruf kam.

Ungefähr seit der Gotik, vor gut 1000 Jahren, ist die Orgel das Hauptinstrument der christlichen Liturgie. Die ersten Kirchenorgeln waren Statussymbole in Bischofskirchen.

Im Laufe der Zeit wurden diese technischen Wunderwerke immer ausgefeilter und seit der Reformationszeit mit dem aufkommendenden Gemeindegesang auch immer größer.

Bereits zu Luthers Zeiten war die Orgel mehrfacher Rekordhalter.

Kein Instrument war annähernd so groß und vermochte so tiefe oder hohe Töne zu erzeugen und so viele Klangfarben abzubilden wie die Orgel - und das alles ohne die modernen Möglichkeiten der Elektrizität, denn mittels Blasebalg kam die nötige Luft ins Instrument.

Die Orgel „spielt“ mit Luft.

Der Orgelbauer spricht von Wind, der durch ein gut schallgedämmtes Gebläse in einen Luftspeicher gelangt, der für konstanten Luftdruck sorgt. Drückt man eine Taste, gelangt Luft in die vorher freigeschalteten Pfeifen. Eine Pfeifengruppe heißt Stimme oder Register, und der Begriff „alle Register ziehen“ stammt aus der Organistensprache.

Es gibt zwei Hauptgruppen von Stimmen:

die eher weich klingenden Labialstimmen funktionieren im Prinzip wie eine Flöte, bei den Lingualstimmen schwingt eine Metallmembran im Luftstrom. Letztere zeichnen sich durch eher harten und strahlenden Klang aus. Form und Material der Pfeifen (Holz oder Metall, rund oder eckig, am Ende offen oder geschlossen) tragen ein Übriges zur jeweiligen Klangbildung bei. Vereinfacht gesagt muss für jedes Register pro Ton eine Pfeife vorhanden sein. So verfügt die Orgel in der Versöhnungskirche über 22 Register und 1384 Pfeifen! Durch geschicktes Registrieren, also Mischen der Stimmen, ist eine große Vielfalt an Klangfarben zu erreichen.

Das Klangbild einer jeden Orgel ist einzigartig.

Das liegt nicht nur an der vielen Handarbeit, sondern auch am Raum, in dem sie steht. Wichtig ist auch, wie die Pfeifen im Instrument angeordnet sind und wie der Orgelbauer sie intoniert, also einrichtet. Er verlässt sich dabei auf seine Erfahrung und die etlicher Generationen vor ihm.
Orgelmusik hören wir ja eigentlich nur in der Kirche - verständlich, denn das Klangerlebnis passt einfach nicht durch einen Lautsprecher. Wenn man sich aber die Mühe macht, ein Orgelkonzert zu besuchen, am besten noch vom Interpreten gut auf Instrument und Kirchraum abgestimmt, eröffnen sich klangliche Horizonte, die andernorts verborgen bleiben. Auch im Gottesdienst kann man bei genauem
Hinhören viel entdecken. Oft erklingt Musik, die schon in längst vergangenen Epochen im Gottesdienst zu hören war.

Es ist also immer auch eine kleine Zeitreise, die zeigt wie die Kirchenmusik uns Menschen durch die Jahrhunderte begleitet hat.
Volker Kukulenz