Es ist nicht leicht mit der Geduld
Nein, ein geduldiger Mensch bin ich nicht. Ich habe bestimmt die eine oder andere Gabe und Fähigkeit, aber Geduld gehört nicht dazu. Aber vielleicht bin ich damit ja nicht alleine …
Im Moment merke ich, wie das an mir nagt, dass das immer noch so ist mit der Pandemie. Gemeindearbeit machen und Kirche sein OHNE Menschen zu sehen, zu treffen, zu reden, zu helfen, gemeinsam Veranstaltungen zu planen, über die Bibel und den Glauben zu reden und Gottesdienste zu feiern … wie soll das gehen?
Ja, digital, das kennen wir alle, aber das ist KEIN Ersatz! Das ist in anderen Bereichen nicht anders: Fußballspieler beim VfB Schloß Holte sein ohne Fußball zu spielen? Wie soll das gehen? FIFA 21 nur auf der PlayStation hilft da kaum weiter. Ein Restaurant zu betreiben, ein Geschäft zu haben und nur ausliefern zu können? Klar, das geht irgendwie, aber auch das ist kein Ersatz zu dem, was früher war und was wir uns sehnlichst wieder wünschen.
Und die große Frage, die im Moment niemand beantworten kann, ist ja: AB WANN können wir uns wieder treffen, ins Restaurant gehen, etwas anderes einkaufen als nur Lebensmittel, uns wieder frei bewegen, arbeiten, leben? Ich weiß, dass Zurückhaltung, der Schutz anderer Menschen und von mir selbst sinnvoll ist, aber trotzdem bin ich ungeduldig.
Wenn alles immer so läuft, wie wir uns das vorstellen, dann ist es einfach mit der Geduld. Nach Wikipedia (Glückwunsch zum 20. Geburtstag übrigens) ist Geduld ja „die Fähigkeit zu warten oder etwas zu ertragen. Oft gilt Geduld als eine Tugend; ihr Gegenteil ist die Ungeduld.“ In den Sprüchen Salomos (Kapitel 14,29) im Alten Testament steht: „Wer geduldig ist, der ist weise; wer aber ungeduldig ist, offenbart seine Torheit.“ Ich fühle mich zwar ertappt, aber das hilft mir auch nicht weiter. Das Neue Testament betont, dass die Geduld, die wir aufbringen, auch zeigen kann, dass wir auf Gottes Timing, seine Macht und seine Liebe vertrauen. Geduld hat also auch etwas mit Durchhaltevermögen zu tun. Geduld bedeutet dann, nicht nur passiv etwas abzuwarten, sondern ganz aktiv etwas in die Hand zu nehmen: „Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist“, steht im Hebräerbrief (Kapitel 12, Vers 1). Ja, ein Kampf ist das im Moment in der Tat, ein Wettkampf, ein Rennen um die beste Lösung für möglichst viele, das Ringen um die richtigen Maßnahmen und die Benachteiligung möglichst weniger.
Wir sind nicht zufrieden, und vieles könnte besser laufen. Geduld ist nötig – und das aktive Mitarbeiten an den Stellen, die wir selbst in der Hand haben und gestalten können; da bleibt noch genügend übrig, denke ich. Und vielleicht hilft auch der Hinweis von Thomas von Kempen, der geschrieben hatte: „Lerne Geduld haben mit fremden Fehlern; denn siehe, du hast auch viel an dir, was andere tragen müssen.“ Und auch wir bitten um Geduld, dass wir noch nicht online Gottesdienste streamen können, aber wir sind da dran, wir überlegen und planen und sagen Bescheid, wenn wir ein Stückchen weiter sind.
Pfarrer Dr. Carsten Glatt